Freitag, 4. Mai 2012

Von der Elfenbeinküste nach Liberia

Nachdem ich meinen letzten Eintrag gepostet hatte und ich wieder mal einen Autoreifen, der von einem Stein leicht angeritzt wurde, reparieren hatte lassen, packte ich meine Sachen und begab mich auf meine geliebten Sandpisten. Diese führten mich vorerst über Sirasso, Dianra und Séguéla nach Man.

Überquerung des Sassandra (nordöstlich von Man), einer geographischen Artbarriere in Westafrika (einige Tierarten, die östlich dieses Flusses zu finden sind, kommen am Westufer nicht mehr vor)
Ich fuhr also wieder Richtung Süden, was gleichzeitig bedeutete, dass ich die Savannenlandschaft im Norden der Elfenbeinküste gegen immer mehr Grün eintauschte. Das zeigte sich einerseits durch immer mehr Wald und andererseits durch immer mehr Agrarwirtschaft, was in der Elfenbeinküste soviel wie Kakaoplantagen heißt. Es ist kaum zu glauben, aber ich schaffte es 30 Tage in der Elfenbeinküste zu verbringen, ohne eine einzige Kakaoplantage zu sehen. Der Grund dafür dürfte wohl sein, dass die internationalen Preise für Kakao in den letzten Jahren stark gefallen waren, und deshalb viele Bauern auf Kaschu (Cashew) oder Kautschuk umgestiegen sind. Ich liebte es vor allem durch die Kaschuplantagen zu fahren, denn, wann immer der Hunger sich meldete, pflückte ich mir einfach ein paar Kaschuäpfel, die ich im Gegensatz zur Nuss vorher noch nie gegessen hatte, und das Hungerproblem war gelöst – effektiv und billig.

Eine Kaschuplantage (Anacardium occidentale) südwestlich von Séguéla
Wie schon erwähnt, je weiter ich Richtung Süden fuhr, umso grüner wurde die Landschaft, gleichzeitig bemerkte ich aber auch immer mehr, dass es noch eindeutig zu früh war, um dieses Land zu bereisen. So war zum Beispiel die Infrastruktur (Straßen, Stromversorgung etc.) während des Bürgerkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Und noch viel schlimmer, aber wie nicht anders zu erwarten, waren die Ivorer "moralisch" stark angeschlagen. Hin und wieder konnte man zwar ganz schüchtern Zouglou oder Coupé Decalé aus einer Bar hören, im Großen und Ganzen war den ivorischen Lebemenschen aber nach wie vor nicht nach Tanzen, Trinken und Feiern, wie das zuvor der Fall gewesen sein dürfte, zumute. Ich selbst bekam dieses "Angeschlagen" sein zweifach zu spüren. Erstens die Skepsis die mir entgegengebracht wurde, sprich das Nicht-Glauben-Können, dass ich einfach so, also ohne einen politischen Hintergedanken durch die Elfenbeinküste fahre, und zweitens dadurch, dass viele Menschen, die ich in dieser Region kennen lernte, nachdem die Skepsis einmal überwunden worden war, mir ihre Geschichte, ihre Version des Bürgerkriegs erzählten. Da ich für viele Menschen, der erste Außenstehende (politisch Neutrale) war, denn sie seit Ende des Bürgerkriegs trafen und es damit für viele die erste Möglichkeit war ohne Bedenken über das Erlebte zu sprechen, hörte ich mir eine Greuelgeschichte nach der anderen an: vom Massakrieren ganzer Dörfer, einfach nur deshalb, weil der Chef des Dorfes ein bekennender Anhänger einer der beiden Präsidentschaftskandidaten war, von Vergewaltigungen,. vom Verbrennen von Familienangehörigen, vom Exekutieren von Kindern, die einfach deshalb ermordet wurden, weil sie unglücklicherweise beim Wasserholen von Rebellen angehalten wurden und auf irgendeine belanglose Frage nicht die richtige Antwort wussten, vom nächtelangen Herumirren im liberianischen Regenwald usw. Ich konnte spüren, dass es für viele Menschen hier eine Erleichterung war, endlich mal über das Erlebte sprechen zu können; ich merkte aber auch, dass mir viele dieser Geschichten zu arg waren - ich bin ja nicht wirklich in Krisenintervention ausgebildet. 
Trotz all dieser unfassbaren Geschichten ließ ich es mir nicht nehmen, auch das Land im Westen der Elfenbeinküste ein wenig anzuschauen. Die Fahrt führte von Man über Douékoué nach Guiglo, von wo es über Straßen, die eigentlich nicht mehr als solche erkennbar waren, nach Taï und schlussendlich nach Djiroutou weiterging. In Djiroutou befindet sich die Verwaltung des Taï Nationalparks, eines Parks, der in den ivorischen Regenwäldern liegt. Die Nationalparkverwaltung teilte mir mit, dass der Park offiziell noch nicht für den Tourismus geöffnet ist. Da sich für den folgenden Tag, der für die Nationalparks zuständige Minister angekündigt hatte, wurde mir angeboten, dass ich mich einfach für die nächsten zwei Tage "verstecken" solle und ich nach der Abfahrt des Ministers gemeinsam mit einem Führer den Nationalpark inoffizieller weise besuchen könnte. Folglich schlug ich mein Zelt am Fluss Hana auf, der sich schon im Nationalpark befindet, und hielt mich für zwei Tage im Hintergrund. Nach der Abreise des Herrn Ministers durfte ich dann gemeinsam mit Sylvain, meinem Nationalparkführer, den Park durchwandern. Obwohl wir zwei lange Wanderungen im Park unternahmen und eine davon sogar eine Nachtexkursion war, gab es nicht viel zu sehen. Grund dafür war, dass im Laufe der Unruhen der letzten zwei Jahre sehr viel gewildert worden war bzw. nach wie vor gewildert wird. So konnte ich fast jede Nacht, die ich im Nationalpark verbrachte, Schüsse von Wilderern auf der Jagd hören. Dementsprechend kurz ist die folgende Liste, der Tiere, die ich im Nationalpark Taï beobachten konnte:

Säuger: Weißbart-Stummelaffe (Colobus polykomos), Dianameerkatze (Cercopithecus diana diana), Campbellmeerkatze (Cercopithecus mona campbelli), Buschhase (Lepus saxatilis), sowie diverse Fledermäuse.

Zwei Campbellmeerkatzen (Cercopithecus mona campbelli) beim "Grooming"
Vögel: Hagedasch (Bostrychia hagedash), Witwenpfeifgans (Dendrocygna viduata), Palmgeier (Gypohierax angolensis), Schwarzmilan (Milvus migrans), Palmtaube (Streptopelia senegalensis), Riesenturako (Corythaeola cristata), Spornkuckuck (Centropus senegalensis), Braunkopfzwergfischer (Ceyx lecontei), Weißbauchzwergfischer (Alcedo leucogaster), Senegalliest (Halcyon senegalensis), Blaukehlroller (Eurystomus gularis), Elstertoko (Tockus fasciatus), Schwarzhelmhornvogel (Ceratogymna atrata), Weißschopfhornvogel (Tropicranus albocristatus), Kleine Streifenschwalbe (Hirundo abyssinica), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Flaggendrongo (Dicrurus modestus), Rotkehlweber (Malimbus nitens), Kletterweber (Malimbus rubricollis), und viele weitere KBVs und KSVs.

Braunkopfzwergfischer (Ceyx lecontei) am Hana

Senegalliest (Halcyon senegalensis)

Weißschopfhornvogel (Tropicranus albocristatus) im Bambusgestrüpp
Reptilien: Stutz-Gelenkschildkröte (Kinixys homeana), Siedleragame (Agama agama), Brooks Halbfingergecko (Hemidactylus brookii), Tropenskink (Trachylepis polytropis)

Stutz-Gelenkschildkröte (Kinixys homeana)
Wenn gleich ich nicht ganz zufrieden war mit dem was ich vor allem an Säugetieren im Taï Nationalpark zu Gesicht bekam, gab es doch ein paar "highlights". So konnte ich eine Gruppe Campbellmeerkatzen über eine Stunde aus der Nähe beobachten. Am selben Tag traf ich dann zufälligerweise Karim Ouattara von der Universität in Abidjan, der eben genau über Kommunikation und Sozialverhalten eben dieser Meerkatzen Studien am Laufen hat. Da ich eine "Grooming-Session" der Campbellmeerkatzen komplett filmte und Ouattara bis jetzt noch kein Filmmaterial zusammenstellen konnte, stellte ich ihm meine Aufnahmen zur Verfügung. Außerdem traf ich Mitarbeiter des Forschungsteams um Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der seit Ende der 70er Jahre die Schimpansen in der Elfenbeiküste erforscht. Ja und aufgrund all dieser Gespräche und Diskussionen habe auch ich wieder ein wenig Lust bekommen, den Weg zurück in die Wissenschaft zu suchen. Aber vorerst bin ich am Reisen und nicht am Zukunftspläneschmieden. Abgesehen von den Wirbeltieren, die ich im Nationalpark gesehen habe, gab es, wie nicht anders zu erwarten in einem tropischen Wald, viele unglaublich schöne, bizarre oder giftige Gliederfüßer.

Tausendfüßer: Bandfüßer (links oben), Schnurfüßer bei der Paarung (links unten) und Skolopender (rechts)

Insekten: Schmetterling (links oben), Gottesanbeterin (rechts oben) und ein ca. 10 cm langer Laufkäfer (unten)
Das wirkliche Highlight des Taï Nationalparks bekam ich bei der Nachtwanderung zu Gesicht. Ziel dieser Wanderung war eigentlich Ducker, Schleichkatzen oder Schuppentiere zu sehen. Was ich aber entdeckt hatte, war für mich genauso exotisch und spannend, wenn gleich bedeutend kleiner und für meinen Führer Sylvain komplett uninteressant. Während ich im Comoe Nationalpark, im Norden der Elfenbeinküste noch meine erste Walzenspinne gesehen hatte, war es dieses Mal meine erste Geißelspinne.

Geißelspinne auf einem Termitenhügel
Nach meinem Nationalparkaufenthalt ging es von Djiroutou über Grabo nach Tabou, an der Atlantikküste.

Blick auf den Atlantik von meinem Stammplatz in meiner Lieblingskneipe in Tabou
Von Tabou machte ich mich auf nach Prello um von dort mit der Fähre den Cavally, den Grenzfluss zwischen der Elfenbeinküste und Liberia zu überqueren. Nachdem ich die Grenzformalitäten auf ivorischer Seite erledigt hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer Autofähre, von denen ich zwei (oder besser ausgedrückt eineinhalb) entdeckte. Die eine der Autofähren war relativ neu und vom UNHCR für Flüchtlingstransporte zwischen Liberia und der Elfenbeinküste vorgesehen. Die zweite Fähre war weniger eine Fähre als wahllos zusammengenageltes morsches Holz. Ja und dieses morsche "Holzding" war für mich vorgesehen, da ich nicht als Flüchtling durchging und damit nicht die Kriterien für die UNHCR-Fähre erfüllte. Folglich fuhr ich mit so mancher Schweißperle auf meiner Stirn auf die Fähre auf, wir setzten über und ich war heilfroh mit meinem Auto das liberianische Festland erreicht zu haben.

Der Cavally, links der ivorische Regenwald in Prello und rechts der liberianische Regenwald in Pededo
Im liberianischen Grenzdorf Pededo ging ich sogleich die Grenzformalitäten an. Meine Einreise (Immigrationspolizei) ging problemlos über die Bühne, während die Einreise meines Autos sich als Problem rausstellte. Nach einer zweistündigen Diskussion der Zollbeamten wurde entschieden, dass ich nach Harper, die nächstgelegene Großstadt zu fahren habe, um dort im Hauptquartier des liberianischen Zolls die Formalitäten für mein Auto zu erledigen. Diese Entscheidung kam mir sehr entgegen, da ich sowieso nach Harper fahren wollte. Auf meinem Weg zurück zum Auto, wurde ich aber noch von einem Beamten abgefangen, der für die Registrierungen an der Grenze zuständig war. Also hieß es auch hier (so wie bei der Immigrationspolizei und dem Zoll) nochmals alle Daten anzugeben und zu erklären, warum ich durch Liberia fahren will und nicht direkt einen Flieger nach Österreich genommen habe. Von dieser Registrierungsbehörde wurde ich dann zum Kommunikationschef weitergereicht - nochmals dieselbe Geschichte erzählen und erklären. Aber auch das brachte ich gelassen hinter mich, um mich dann ein zweites Mal Richtung Auto und damit Richtung Harper zu begeben. Doch ich wurde ein weiteres Mal abgefangen und zwar von einer Polizistin, die ich aber sogleich beruhigte, indem ich ihr meinen Einreisestempel im Pass zeigte. Die Polizistin erklärte mir daraufhin, dass ich nur bei der Einwanderungspolizei, die dem Justizministerium untersteht vorstellig geworden bin, während ich mich bei der eigentlichen Polizei, die dem Innenministerium untersteht, nicht gemeldet hätte. Also nochmals retour und nochmals alle Daten angeben und erklären, warum ich gerade durch Liberia fahren muss. Und, je öfter ich gefragt wurde, warum ich unbedingt durch Liberia fahren will, desto mehr habe ich selbst begonnen mir diese Frage zu stellen. Dennoch nahm ich auch diese Hürde und verließ Pededo ein wenig stolz, da ich, obwohl ich bei fünf Behörden vorsprach und obwohl alle Beamten dieser Behörden nicht nur einmal danach fragten, keinen Cent Schmiergeld brauchte. Die Weiterfahrt führte also direkt von Pededo nach Harper. In Harper angekommen, wurde ich sogleich beim Zollhauptquartier vorstellig, um dort zu erfahren, dass sie die Formalitäten für mein Auto nicht erledigen könnten, sondern dies direkt von der Zollstation in Pededo, also an meinem Einreiseort, erledigt werden müsste. Folglich ging die Fahrt wieder zurück nach Pededo, wo ich dem Zoll basierend auf den Informationen, die ich in Harper erhalten hatte, erklärte welches Formular auszufüllen sei. Nachdem ich das Formular erhalten hatte, die entsprechende Gebühr entrichtet hatte, fuhr ich wieder zurück nach Harper, um mir dort ein Hotel zu suchen und das erste Mal seit meiner Ankunft in Liberia ein wenig durchzuatmen. Harper war eine sehr sonderbare Stadt. Man konnte erahnen, dass dies einst eine florierende Stadt war, wenn gleich ein Großteil der Wohnhäuser, Hotels, Casinos etc. ausgebrannt sind und wie Mahnmale mitten in der Stadt stehen. Außerdem fehlten die Menschen in dieser Stadt, die, wie ich später erfuhr während des Bürgerkriegs entweder ums Leben gekommen sind oder eben flüchteten (entweder ins Ausland oder in den liberianischen Regenwald). Von der verbliebenen Bevölkerung schienen vor allem die Kinder das Leben in Harper zu genießen, denn ihnen stand die ganze Stadt als Spielplatz zur Verfügung. In Harper musste man als Fußgänger auf den Straßen nicht auf die Autos achten, denn von denen gab es kaum welche, sondern auf Fußbälle, da viele Straßen als Fußballfelder benutzt wurden. Was mich zu diesem Zeitpunkt noch überraschte, war die Tatsache, dass eine Stadt wie Harper weder Strom- noch Wasserversorgung hatte. Trotzdem wurden in den Hotels nach wie vor klimatisierte und ventilierte Zimmer zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Ich verkniff es mir in meinem Hotel nachzufragen, was denn nun der Vorteil einer Klimaanlage gegenüber einem Ventilator bei nicht vorhandener Stromversorgung sei. Was ich mir nicht verkniff, war einem "Gerücht" nachzugehen, dass ich in der Elfenbeinküste aufgeschnappt hatte. In der Elfenbeinküste wurde mir wiederholt erzählt, dass ein Großteil der Greueltaten, die in den letzten zwei Jahren im Westen des Landes verübt wurden, nicht von Ivorern begangen worden sind, sondern von Ausländern, allen voran von Liberianern, die einfach das allgemeine Chaos in der Elfenbeinküste ausnutzten. Interessant, wenn gleich entsetzlich, fand ich die Tatsache, dass die Ivorer bemerkten, dass die ausländischen Milizen, die aus dem Norden kamen (hauptsächlich Malier) nur raubten, während die Liberianer hauptsächlich aufs Töten und Vergewaltigen aus waren. Angesprochen auf diese Anschuldigungen reagierten die Liberianer gelassen und zustimmend. So erfuhr ich, dass die Menschen im Osten Liberias seit Jahren darauf gewartet hatten, sich an den Ivorern zu rächen, die während des Bürgerkrieges in Liberia anscheinend genau dasselbe machten. Als Charles Taylor 1989 seinen Aufstand gegen den damaligen liberianischen Präsidenten Samuel Doe begann, geschah dies von der Elfenbeinküste aus, unterstützt von den Ivorern, allen voran vom guten Freund Charles Taylors Félix Houphouët-Boigny. Ich möchte hier aber auch gleich erwähnen, dass die Lage in Liberia inzwischen sehr entspannt ist. Die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die hier von allen Mama Liberia genannt wird, hat es geschafft, von mehr oder weniger allen ethnischen Gruppen in Liberia respektiert zu werden und somit versöhnlich auf das Land einzuwirken. 
Nach zwei Tagen des Akklimatisierens in Harper (es ist ja inzwischen Regenzeitbeginn und die Luftfeuchtigkeit steigt von Tag zu Tag - ich nenne es 24-Stunden Gratissauna) ging es über Kahnwia und Bawo nach Jalay, jenes Dorf von dem aus der Nationalpark Sapo betreten werden kann. Bevor ich aber den Nationalpark besuchen konnte, musste ich mich um mein Auto kümmern, denn mein Kühler hatte wieder mal Leck geschlagen. Bei meinem Glück war im nächsten Dorf eine Equipe stationiert, die im Auftrag der liberianischen Regierung die Straßenverbindung  Zewru-Greenville noch vor der Regenzeit entsprechend präparieren soll. Teil der Arbeitsmannschaft waren Automechaniker aus der Elfenbeinküste - und mein Auto war zwei Tage später repariert. Damit konnte ich mich, ohne an Autoprobleme denken zu müssen, in den Nationalpark begeben. Leider galt auch für den Sapo Nationalpark, sowie für den Nationalpark in Taï oder Comoe, dass das Wildern dazu geführt hatte, dass die Tiere sehr schwer zu sehen waren. Wie nicht anders zu erwarten fanden wir dann auch die Beute eines Wilderers, was dazu führte, dass die restliche Zeit, die ich mit meinen Führern im Park verbrachte, hauptsächlich dazu genutzt wurde die Wilderei zu diskutieren. Ich musste immer wieder darauf drängen, dass jetzt das Palavern aufhören sollte und wir uns wieder auf Wanderschaft durch den Regenwald begeben sollten. Trotzdem hatte das Auffinden der Beute der Wilddiebe den Vorteil, dass ich mein erstes Riesenwaldschwein (Hylochoerus meinertzhageni) zu Gesicht bekam.

Meine Sapo Nationalparkführer Osara, Colie und Junior (von links nach rechts) mit einem Teil eines Riesenwildschweins, das von einem Wilddieb erlegt wurde
Außerdem bekam ich folgende Tiere zu sehen:

Säuger: Dianameerkatze (Cercopithecus diana diana), Große Weißnasenmeerkatze (Cercopithecus nictitans nictitans), Feuerfußhörnchen (Funisciurus pyrropus), Westafrikanischer Quastenstachler (Atherurus africanus).

Große Weißnasenmeerkatze (Cercopithecus nictitans nictitans), die ich auch schon öfters und vor allem in besserer Position in Gabun vor die Kamera bekam
Vögel: Kuhreiher (Bubulcus ibis), Weißbrustperlhuhn (Agelastes meleagrides), Guineaturako (Tauraco persa), Riesenturako (Corythaeola cristata), Schillereisvogel (Alcedo quadribrachys), Elstertoko (Tockus fasciatus), Goldhelmhornvogel (Ceratogymna elata), Waldrötel (Stiphrornis erythrothorax), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Flaggendrongo (Dicrurus modestus), und viele weitere KBVs und KSVs.

Goldhelmhornschnabel-Weibchen (Ceratogymna elata) im Flug über Jalay
Reptilien: Siedleragame (Agama agama)
Ein Reptil, das ich glücklicherweise nicht zu Gesicht bekam, machte sich trotzdem zweimal "bemerkbar":

Zweimal, während meines Aufenthalts in Sapo, fanden wir die abgestreifte Haut einer Afrikanischen Speikobra (Naja nigricollis)
Weil das Fotografieren der Tiere im Regenwald äußerst schwierig war, konzentrierte ich mich auf die Pilze, die nicht so einfach vor der Kamera flüchten konnten:

Pilze in unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen - typisch tropischer Regenwald eben!
Abgesehen von den Pilzen hatte auch der Kaiserskorpion (Pandinus imperator) keinen Grund überhastet zu flüchten. Meine Führer informierten mich, dass sie zwei Arten von Skorpionen im Sapo Nationalpark haben: einen schwarzen und einen grünen Skorpion. Bei meiner Recherche im Internet fand ich aber heraus, dass es sich um ein und dieselbe Art handelt, die Farbe des Skorpions aber vom einfallenden Licht abhängt.

Kaiserskorpion (Pandinus imperator) im Sapo Nationalpark
Aufgrund meines Aufenthaltes im Nationalpark und meinen Autoproblemen verbrachte ich schlussendlich ganze fünf Tage in Jalay. In diesen fünf Tagen hatte ich auch die Möglichkeit wiederum MitarbeiterInnen des in Liberia tätigen Forschungsteams um Christophe Boesch kennenzulernen. Außerdem initiierte FFI (Flaura & Fauna International) ein REED+ Projekt, und ich durfte als Gasthörer den ersten Schulungen für dieses Projekt beiwohnen. Beim REED+ Projekt in Liberia geht es darum riesige Waldflächen, die um den Nationalpark Sapo liegen, aber nicht unter Schutz gestellt sind, vor dem Abholzen zu bewahren. Der dadurch nicht in die Atmosphäre abgegebene Kohlenstoff kann eingekauft werden; in Zukunft an der Börse und vorerst von Ländern, die sich zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen verpflichtet haben. Sollten diese Länder die Reduzierungen im eigenen Land nicht erreichen, haben sie die Möglichkeit durch den Kauf von Kohlenstoff in "Baumform" und die damit gewonnene Kohlendioxid-Bindung anrechnen zu lassen. Federführend hierbei ist die norwegische Regierung, die sich in Indonesien schon Kohlenstoff im Wert von 1 Milliarde US Dollar eingekauft hat und die auch dieses Projekt in Liberia finanziert. Die Schulungen in Sapo zielten auf zwei Aspekte ab: Erstens "community"-Sensibilisierung und zweitens wie vor Ort der Kohlenstoffgehalt eines Waldes errechnet werden kann.

Liberianische Forstwissenschaftsstudenten erlernen die Methode zur Berechnung des Kohlenstoff-Gehaltes von Bäumen
Gleichzeitig verbrachte ich auch viel Zeit im Dorf selbst: beim Chef des Dorfes und unterm Dorfmangobaum beim Trinken von Afrikanischem Whiskey (Zuckerrohrschnaps).

Meine kleinen FreundInnen aus Jalay
Und so fiel der Abschied von meinen neuen Freunden in Jalay/Sapo schwer, doch die Fahrt ging weiter Richtung Juazohn nach Greenville und dann über ITI und Yarpah nach Buchanan, von wo aus ich über Harbel (auch bekannt als "Firestone-City") nach Monrovia reiste. Die Straßen in Liberia sind nochmals ein eigenes Kapitel und gleichen oft mehr einer Seen- oder Sumpflandschaft, denn einer Straße. Seit der Einreis nach Liberia fuhr ich viele Straßen mit Vierradantrieb ab. Bei den sumpfigen Straßenteilen wird die Luft angehalten, denn ich weiß, sollte mir der Motor absterben, komme ich nie wieder aus diesen Dreckslöchern raus. Bei den Wasserstellen, liegt die Schwierigkeit darin, deren Tiefe abzuschätzen. So ist es mir inzwischen schon zweimal passiert, dass das Wasser über die Motorhaube bis zur Windschutzscheibe hoch reichte.

Selbst auf den etwas besseren Straßenabschnitten bleiben immer wieder LKWs hängen.
Zusätzlich kam hinzu, dass es in Liberia keine Straßenschilder gibt. Viele Dörfer sind sowieso nur noch unter dem Namen der ansässigen Firma, die entweder die Konzession zum Schlagen von Holz oder die Konzession zum Abbau von Gold, Diamanten etc. erhalten hat, bekannt (siehe oben ITI). Zu meinem Nachteil führen die Straßenkarten aber nach wie vor die traditionellen Namen der Dörfer. Die Folge waren oft mühsame und langwierige Diskussionen, wenn ich mal nach dem Weg fragte. Einige, eher abgelegene Ortschaften, die ich eigentlich besuchen wollte, konnte ich nicht auffinden, da die mir beschriebene Kreuzung nie auftauchte. Trotz aller Schwierigkeiten kam ich aber in Monrovia an und hatte zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Liberia Strom- und Wasserversorgung. All diese Infrastrukturmängel (Straße, Strom, Wasser) nervten mich aber nicht wirklich, sondern geben diesem Land einen ganz speziellen Charme der Ursprünglichkeit (zumindest in den ländlichen Gegenden). In Monrovia gibt es wie gesagt Strom, aber so sind zum Beispiel die Straßen kaum beleuchtet. Gestern Nacht schlug ich mich dann für einmal durch die dunklen Straßen von Monrovia, was aus sicherheitstechnischen Gründen nicht zu empfehlen ist, aber unglaublich viel Spaß gemacht hat. Während man untertags in dieser Stadt (bzw. dem ganzen Land) das Gefühl hat, dass niemand arbeitet und das Land fast still steht, bricht in der Nacht eine Aufgeregtheit und Umtriebigkeit aus, die man eben nur mitbekommt, wenn man sich auf die Straßen begibt, weil sehen kann man dieses Nachtleben aufgrund des Lichtmangels nicht. Was mich hingegen in Liberia sehr stört, ist das Preisniveau. Liberia ist mit Abstand das teuerste Land, das bisher auf meiner Reiseroute stand. In Monrovia gibt es keine anständige Unterkunft unter 90 US Dollar pro Nacht, bis auf eine, die ich dann auch gefunden habe. Deshalb schreibe ich diesen Beitrag umgeben von Nonnen und Mönchen, aber gleichzeitig ausgestattet mit wireless-Internet.
Heute gab ich meinen Pass auf der Botschaft von Sierra Leone ab. Die Fahrt zur Botschaft war wieder ein Erlebnis, weil mir die liberianische Präsidentin entgegenkam. Ich musste für ca. 20 Minuten am Straßenrand warten und die Präsidenteneskorte, die aus etwas mehr als 30 Fahrzeugen bestand, vorbeiziehen lassen. Die Präsidentin sah ich zwar nicht, dafür aber unzählige Gewehrkolben, die aus den vorbeifahrenden, abgedunkelten Wagen auf die an den Straßenrändern wartende Menge gerichtet waren.
Sobald ich mein Visum für Sierra Leone habe geht es weiter Richtung Robertsport am Pisosee, meiner letzten Destination in Liberia, ehe es über Gola Hills nach Sierra Leone und dann Richtung Freetown geht.

Keine Kommentare: